Frauenwelten, so nannten und nennen wir diese unsere Ausstellung hier im Schmetterlingshorst.
Vielleicht mutet dieser Titel seltsam an, seltsam für Mitteleuropa und für unsere Gegenwart in diesem 21. Jahrhundert.
Denn die Zeiten, in denen es getrennte Lebensbereiche für die beiden Geschlechter gab, sind lange vorüber. Frauen und Männer haben in der Regel heute keine abgegrenzten Wirkungsräume.
Die Frauen- und Herrenzimmer finden sich nur noch in historischen Romanen. Beide Geschlechter teilen sich heute und hier den Lebensraum in Familie und Gesellschaft und das mehr und mehr gleichberechtigt. Vielleicht finden Sie diesen Titel auch erwartungsgemäß, denn Sie wissen, dass wir zehn Frauen sind, künstlerisch tätige, kreative Frauen, die sich in der Gruppe der „blutorangen" vereinigt haben.
Und wer soll über die weiblichen Sichten auf diese Welt sprechen, wenn nicht wir Frauen?
Und das tun wir.
Wenn auf unserer Einladung im Hintergrund ein silbern schimmernder Fingerhut zu erkennen ist, so setzten wir dieses Zeichen ganz bewusst, um anzudeuten, dass wir uns sehr wohl unserer weiblichen Wurzeln bewusst sind. Denn das Nähen für die Familie und die Kreativität dieses Handwerks wurden den Frauen seit Urzeiten zugeordnet. Genauso wie über Jahrhunderte die Frau als inspirierendes Modell für Künstler auf allen Gebieten fungierte.
Dass aber Frauen selbst zum Pinsel greifen und ihre Vorstellungen bildlich darstellen, war in Vorzeiten eigentlich nur dort möglich, wo Väter und Brüder selbst künstlerisch tätig waren. Oder wo sich die Frau durch eigenen Reichtum diese Freiheit nehmen konnte. Aber eine öffentliche Ausstellung mit Werken, geschaffen nur von Frauen, wäre beispielsweise am 21. August 1911 unmöglich gewesen.
Sicherlich, es liegen zwischen diesem Augusttag und heute 100 Jahre. Aber gestatten Sie es mir, an folgende Tatsache zu erinnern: Noch Mitte der 1950er Jahre brauchte in der BRD eine verheiratete Frau die Zustimmung ihres Ehemannes, wenn sie erwerbstätig sein wollte. Also ist diese Präsentation eine Verbindung von etwas Erwartungsgemäßem und doch noch immer etwas Besonderem.
Wir blutorangen benutzen für unseren Bericht über Frauenwelten die Instrumente der Kunst, die jede von uns als ihr Metier, als ihr künstlerisches Ausdrucksmittel gefunden hat. Und diese künstlerischen Sprachen sind so unterschiedlich wie wir es selbst auch sind.
Da sehen Sie Bilder in Öl-, Acryl-, in Aquarelltechnik. Da finden Sie Photographien, Bild-Collagen mit Texten. Da malten unsere Augen und Hände ganz feine, zarte linien von gelebten und gedachten weiblichen Biografien. Oder es entstanden auf Leinwand und Papier mit kraftvollen Farben und Pinselstrichen Frauenpersönlichkeiten, mit denen wir uns wohl alle gern mal auf eine Tasse Kaffee treffen würden.
Natürlich gehört zu unseren Welten auch der weibliche Körper. Hier in dieser Ausstellung finden sie ihn gemalt, modelliert, fotografiert, mit dem Computer bearbeitet und in goldener Fadengrafik eingefasst und manchmal auch mit einem kleinen Augenzwinkern dargestellt.
Da spielen Farbe eine große Rolle. Es werden aber die Spuren unserer Vorgängerinnen auch in Schwarzweiß gezeigt, um deren Lebenswege aus dem übervollen, überbunten Alltag von heute hervorzuheben.
Sie begegnen hier in unseren Werken alten und jungen Frauen, traurigen und glücklichen Frauen, humorvollen Frauen, verträumten Frauen, selbstbewussten Frauen, verliebten Frauen, denn zu unseren Welten gehören Frauen und Männer und Kinder.
Wenn Sie sich die Zeit nehmen, in aller Ruhe an den Bildern unserer Ausstellung vorbeizulaufen, dann werden Sie bemerken, dass nicht nur Sie die abgebildeten Frauen betrachten, sondern dass auch Sie von den gemalten und fotografierten Augen angeschaut und nach Ihren Lebenswegen, nach Ihren Lebenszielen befragt werden.
Wir blutorangen wünschen uns, dass Sie sich auf ein Gespräch mit unseren Frauen und ihren Welten einlassen.
Und natürlich stehen auch wir Ihnen gerne Rede und Antwort.
Und damit ist genug geredet. Jetzt sollen Musik und Bilder zu Ihnen sprechen.