Helma Hörath, Laudatio zur Ausstellungseröffnung am 27. Oktober 2012

Kunst trifft Technik

So heißt die Ausstellung, die wir „blutorangen" Ende Oktober 2012 anlässlich des Aktionstages „Feuer und Flamme" im Industriemuseum der Region Teltow eröffneten und dort bis Ende Dezember 2012 präsentieren. In 36 Arbeiten näherten wir zehn Frauen uns dem Thema von verschiedenen Seiten, mit unterschiedlichen künstlerischen Methoden und Materialien sowie mit eigenen Sichtweisen. Die überwiegende Mehrheit der hier ausgestellten Werke wurde eigens für die Ausstellung im Industriemuseum geschaffen, sie wird demzufolge das erste Mal in der Öffentlichkeit vorgestellt.

Kunst und Technik repräsentieren zwei Seiten einer Welt, in der der Mensch das Sagen hat. Scheinbar ist die Vorgehensweise der Vertreter und Vertreterinnen beider Gruppen gegensätzlich. Der einen wird der Besitz aller Freiheiten zur Verwirklichung ihrer fantastischen Ideen nachgesagt und der anderen nur ein eingeschränktes Realisieren ihrer Vorstellungen in den Grenzen von naturwissenschaftlichen Gesetzen, vorhandenen Materialien und gesellschaftlichen Möglichkeiten. Aber weder Kunst noch Technik kommen ohne Kreativität aus, ohne Kenntnis der Wege unserer Altvorderen und ohne den Mut, Neues auszuprobieren und mehr zu wagen als die Generationen davor.

Neue Technik entwickelt sich niemals ohne menschliche Phantasie und Schöpfertum. Zu jedem Kunstwerk gehört nicht nur der künstlerische Traum, sondern auch die Beherrschung der Darstellungsweise sowie von Werkzeugen und Materialien, die durch Menschen erdacht und meist durch Maschinen, Geräten und Apparate geschaffen wurden. Nur durch Leidenschaft für eine Sache kann etwas entstehen, was das menschliche Leben schöner, leichter, reicher, unterhaltsamer, besser, fröhlicher, interessanter machen kann. Diese Erkenntnis verdeutlichen die Exponate dieses Museums, das sich dem Bewahren von technischen Leistungen der Menschen verschrieben hat, die in früheren Jahrzehnten in und um Teltow gelebt und gearbeitet haben. Diese Erkenntnis wird auch in den Bildern und Skulpturen der „blutorangen" dargestellt.

Was wäre unsere Welt ohne Elektrizität, ohne das licht in der Dunkelheit, ohne solch für uns noch immer bestaunenswerten grandiosen Bauwerke unserer Ahnen mit hohen Mauern, mit Fenstern und Fensterglas, mit Türmen und Brücken? Was wären wir heute ohne die einstmals gigantische Neuerung wie das Rad, ob in einer Windmühle und Töpferscheibe, einem Spinnrad, Mähdrescher oder einem Kettenkarussel? Was würde in unseren Schränken stehen oder hängen ohne Webstuhl, ohne Nähmaschine und ohne Brennofen? Wie würden wir heute leben, gäbe es nicht Motore in Lokomotiven, Autos, Motorrädern und Flugzeugen? Kaum noch vorstellbar ist wohl für uns Heutige ein alltägliches Leben ohne Fotoapparat, ohne Telefon, ja auch ohne Lockenwickler und Trockenhaube. Die Kunstwerke zeigen aber nicht nur das Alte und Neue, die Vergangenheit und Gegenwart, sondern sie machen auch auf die Schönheit der Technik aufmerksam, auf ihre majestätische Ausstrahlung, auf die Farbwirkung von verarbeitetem Stahl sowie auf die direkt künstlerischen Formen von Funken beim Schmieden und Schweißen, bei Kabeln und Drähten, Bögen und Schienen...

Passend zum Thema „Kunst trifft Technik" haben wir uns mehr als bei jeder früheren Ausstellung bemüht, die künstlerische Herstellungsweise zu erklären, die verwendeten Materialien genau zu benennen und die Technik zu beschreiben, mit der Skulpturen und Bilder in der hier gezeigten Weise entstanden sind. Diese Angaben sind in den Beschriftungen an dem jeweiligen Werk nachzulesen.

In diesen kurzen Beschreibungen ist aber auch herauszulesen, dass der Mensch zwar viel, aber nicht alles kann, sondern dass die Natur das allerletzte Wort hat. Denn sie bewirkt, ob ein Münzturm auf Fließsand für einige Zeit stehenbleibt und dann doch einstürzt, ob eine fein gearbeitete und nach allen Seiten hin durchdachte Skulptur aus dem Brennofen im Ganzen oder in zwei Stücken wieder herauskommt. Und das ist das Wunder, dem sich Technik und Kunst gemeinsam unterwerfen müssen.

Wir hoffen, dass wir den Besuchern, Mitarbeitern und Förderern des Industriemuseums mit unseren hier ausgestellten Werken die starken Verbindungslinien von Kunst und Technik nicht nur aufgezeigt und nahegebracht haben, sondern dass wir sie inspirieren und animieren konnten, in einer Unterlegscheibe vielleicht etwas mehr zu sehen als eben nur eine Unterlegscheibe.

Wir danken dem Museum für die Ausstellungsfläche. Wir danken für die Gespräche beim Hängen und Platzieren unserer Werke, bei der beispielsweise ein Mitarbeiter des Museums am Donnerstag meinte, er könne gar nichts sehen, Kunst sei nicht sein Ding und am Freitag bemerkte, dass er beim Laufen durch den Flur mit den Bildern irgendwo im Hintergrund die Motore leise röhren hören könnte.

Wir bedanken uns für die Gedanken, die bei der Beschäftigung mit dem Thema und bei der Vorbereitung hier in den Ausstellungsräumen gekommen sind. Ich persönlich erinnere mich, dass ich in der 7. oder 8. Klasse genau hier in diesem Gebäude – nämlich im ZAT, dem Zähler- und Apparatebau Teltow – einmal in der Woche einen Unterrichtstag in der Produktion verbrachte.

Anderen von uns fielen Gegenstände in die Hand, die vor der Ausstellung vielleicht ohne großes Nachdenken zur Seite gelegt worden wäre, und von denen wir meinen, dass sie genau hier in das Archiv des Museums gehören.

 

Nach der Übergabe eines Fotos, das einen Blick in die Telefonzentrale und dem Arbeitsplatz des Fräuleins vom Amt (vermutlich ca. 1915) zeigt, wurde die Ausstellung „Kunst trifft Technik" als eröffnet erklärt.

Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten des Museums (Montag bis Sonnabend von 10 bis 16 Uhr in der Teltower Oderstraße 23, Telefon 03328 / 33 69 088) zu besichtigen.

  

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