Helma Hörath, Laudatio zur Ausstellungseröffnung in Beeskow am 27. November 2012

WIR

Als wir vor wenigen Wochen von Frau Kaiser die Nachricht erhielten, dass sich unsere Künstlerinnengruppe Ende November in Beeskow präsentieren könnte, da waren wir gerade mitten im Aufbau einer Ausstellung, der wir den Titel „Kunst trifft Technik" gegeben und für die wir alle die meisten Exponate in den letzten Monaten neu gearbeitet hatten. Zu sehen sind diese Bilder, Skulpturen und kleinen Installationen im Industriemuseum Teltow bis Ende Dezember.

In diese Arbeit hinein kam der Ruf aus und nach Beeskow. Wir haben gezögert, aber nur kurz. Denn wir fühlen uns geehrt, wir empfinden dieses Angebot wirklich als Anerkennung und wir bedanken uns dafür. Als wir uns dann ziemlich schnell einig waren, ja wir gehen nach Beeskow, war uns natürlich völlig klar, dass wir auf vorhandene Bilder zurückgreifen müssen, um diese große Ausstellungsfläche gut und wirkungsvoll zu füllen.

In Ihrem Landkreis sind wir ziemlich weit weg von unserem Wirkungsfeld in und um Teltow. Wir sind nicht so vermessen, anzunehmen, dass unser Name bei einer Luftflaute die vielen Windräder zwischen Oder und Spree antreiben könnte. Uns war klar, dass wir uns hier bei Ihnen in der Kreisstadt Beeskow erst einmal vorstellen und bekannt machen müssen. So kam es zu dem Titel „WIR", unter dem wir 55 unserer Werke für Sie zusammengestellt haben.

WIR sind eine Gruppe von Frauen.

WIR sind Frauen aus Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow, Potsdam, Oberkrämer und Berlin-Zehlendorf.

WIR sind zehn Frauen, die in ihrem Leben entdeckt haben, dass sie mehr können, als Haushalt und Familie zu organisieren und verschiedene herkömmliche Berufe auszuüben.

WIR zehn empfinden eine besondere Befriedigung darin, Lebenserfahrung, Lebenserkenntnis, Beobachtungen im Alltag, Selbstzweifel, Freude, und unsere Ziele mit verschiedenen Mitteln der Kunst auszudrücken.

WIR haben uns in den letzten Jahren ein künstlerisches Repertoire erarbeitet, das von Malerei mit Öl, Acryl und Aquarell reicht und über Collagen, Photographien, Skulpturen, Installationen, Grafik und Illustrationen bis hin zur Verarbeitung eigener Texte weitergeht. Von fast all diesen Genres finden Sie hier in der Ausstellung eine Kostprobe.

Und mit diesem letzten Wort sind wir bei den „blutorangen". Sicherlich wollen Sie von uns hören, wie wir zu diesem doch recht ungewöhnlichen Namen gekommen sind, ohne dass wir Botanikerinnen oder Zitrusplantagenbesitzerinnen sind.

Alles begann im Dezember 2003 mit dem Künstler Eberhard Trodler, der die Künstlerinnen der Region um seinen Wohnort Stahnsdorf aufrief, die sich zusammenzufinden und die Frauenwochen im März gemeinsam vorzubereiten und auszugestalten. Innerhalb kurzer Zeit meldeten sich über 30 Frauen, die dazu bereit und willens waren. Auf einmal war es eine Gruppe, die zu ihrer eigenen Identität und zum Auftritt in der Öffentlichkeit einen Namen brauchte. Und jetzt kommt der Zufall ins Spiel: Peggy Drost, eine Kleinmachnower Künstlerin, saß auf der Suche nach einem Namen in ihrer Küche. Da blieb ihr Blick auf den Einkaufszettel und der Eintragung „Blutorangen" hängen.

Das war der sagenhafte Blitz aus heiterem Himmel. Ja, warum eigentlich nicht „blutorangen"?

Blutorangen sind ganz besondere Orangen. Die wundervolle Färbung ihres Fruchtfleisch wird erst auf den zweiten Blick sichtbar. Sie haben unter dünner Schale viel spritzigen, erfrischenden Saft. Sie werden sehr gut mit den extremsten Bedingungen fertig. Um ihr volles Aroma zu erreichen, braucht die Blutorange heiße Tage und kühle Nächte. Sie wächst an den Hängen des Ätnas auf Sizilien. Sie ist eine zufällige Mutation, die die Natur im 17. Jahrhundert hervorbrachte. Sie reift spät und lässt sich durch keine Tricks des Menschen dazu bringen, über das ganze Jahr im Obstangebot zu bleiben. Also ist jeder Tag, an dem Blutorangen gegessen werden können, etwas Besonderes. Die Blutorangen zählen zu den schönsten und edelsten der uns heute bekannten Früchte.

So wurden die „blutorangen" geboren und jede Ähnlichkeit mit unserer Gruppe von Künstlerinnen ist nicht zufällig, sondern beabsichtigt.

War es zuerst eine allen künstlerisch tätigenden Frauen – ob Profis oder Amateurinnen - offenstehende und ständig wachsende Gruppe unter der Projektleitung von Angelika Watteroth und Peggy Drost, so kristallisierte sich im Jahr 2006 eine viel kleinere und geschlossene Gruppe von zehn Frauen heraus, deren Koordination Gudrun Witt seitdem inne hat.

Wir finden die Themen für die Ausstellungen, die wir regelmäßig und mehrmals im Jahr veranstalten, im gemeinsamen Meinungsaustausch, durch Projekte, an denen wir uns beteiligen, oder durch die Orte, an denen unsere Werke für Wochen oder Monate eine Heimstatt erhalten. Und damit haben Sie eigentlich schon alles erfahren, was wir über uns erzählen können.

Jetzt bleibt mir an dieser Stelle, nur noch einige kleine Wünsche zu äußern:
Mögen die Augen der Menschen, die hier Tag für Tag zur Arbeit oder nur zeitweise zur Klärung von Angelegenheiten ins Haus kommen, an dem einen oder anderen unserer Bilder hängen bleiben.
Mögen sie sich die Zeit für ein kurzes Gespräch mit den dargestellten Motiven gönnen.
Mögen wir Ihnen allen mit unseren Bildern einen Moment der Ruhe, des Besinnens, des Nachdenkens, der Freude und des Durchatmens vermitteln.
Allen, die heute vielleicht von Ingrid Benes, Kyung-Hee Hannes, Renate Hartke und mir, Helma Hörath, etwas mehr erfahren wollen, als auf den Bildbeschriftungen vermerkt werden konnte, denen stehen wir gern für Gespräche in der nächste Stunde zur Verfügung.

  

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